der letzte steinige Weg

In diesem Abschnitt möchte ich die letzten 6 Monate

mit unserer Anni beschreiben.  Eine traurige und

schwere aber andererseits auch intensive und

liebevolle Zeit.

 

 

Am 01. Februar 2012 war der nächste MRT-Kontrolltermin im Vivantes Klinikum. Gegen Mittag sollte Anni in die Röhre. Wir standen an diesem Tag normal auf, machten uns fertig und fuhren ins Krankenhaus. Es folgten die üblichen Blutkontrollen und ein Venenzugang wurde gelegt. Absprache und Aufklärung der Anesthäsieärzte folgte danach. Immer wenn wir zur MRT Kontrolle im Krankenhaus waren, ging ein Arzt mit in den Kontrollraum um Anni, wenn nötig und sie unruhig werden sollte, ein Narkosemittel zu spritzen und sie dann zu beobachten.  Dies war aber glücklicher Weise nie nötig. Wir selbst durften nicht mit hinein und so warteten wir vor der Tür, bis Anni wieder heraus kam. Wir hatten diesmal schon ein mulmiges Gefühl, weil der Anesthäsiearzt ein bedrücktes Gesicht machte und uns alles Gute wünschte. Danach gings erstmal wieder auf Station und es gab Mittag. Wir waren nach so einer Kontrolle immer sehr aufgeregt. Man sitzt wie auf Kohlen und wartet darauf, daß das Ergebnis endlich kommt. Diese Wartezeit ist schrecklich. Sonst war es immer so, daß die Stationsärztin immer wenn wir wieder oben waren, gleich ihren Computer anmachte und schonmal vorab auf die Bilder schaute. Bisher gab es immer Entwarnung, aber diesmal leider nicht. Wir mussten lange warten und keine Ärztin in Sicht. Als sie endlich am späten Nachmittag kam, sagte sie uns, daß etwas auf den Bildern zu sehen ist, aber mehr kann sie leider nicht dazu sagen. Die Bilder wurden zu den Neurochirurgen geschickt um eine fachgerechte Auswertung zu erhalten. Darauf mussten wir dann bis zum nächsten Tag warten und so entschieden wir uns, die Nacht  dort zu bleiben. Am nächsten Tag kam dann auch der Professor der Neurochirurgie und teilte uns ebenfalls mit, daß auf den Bildern etwas Neues zu sehen sei. Wie groß und aktiv es sei, konnten auch sie nicht deuten. Der Professor schlug uns daraufhin vor, zur genauen Abklärung ein PET-CT zu machen. Bei dieser Untersuchung wird dem Patienten eine radioaktive Substanz gespritzt und stellt dann aktives Tumorgewebe deutlich und farbig dar, von blau gering aktiv bis rot hoch aktiv. Diese Untersuchung muss schnell von statten gehen, da sich die Substanz innerhalb einer Stunde wieder vollständig abgebaut hat.

Am selben Tag kam auch noch der leitende Professor der Kinderstation um mit uns in Ruhe zu sprechen und die Bilder aus seiner Sicht zu erklären. Wir gingen in einen anderen Raum und schauten uns zusammen die ausgedruckten Bilder an. Er erklärte uns sehr ruhig, was er auf den Bildern sehe, nämlich, daß sich der Tumor sehr stark und schnell in Bezug auf die vorherige Untersuchung ausgebreitet hatte. Dies bestätigte auch die später folgende PET-CT Untersuchung. Ich fragte ihn, wie lange Anni denn nach seiner Einschätzung noch habe und er sagte, das es schwer einzuschätzen wäre, aber er denke etwa 4 bis 8 Wochen. Diese Nachricht traf uns wie ein Schock. Wir konnten es nicht begreifen, nicht wirklich realisieren. Es durfte doch nicht sein, daß unsere Anni bald stirbt. Wir mussten zwar immer damit rechnen und haben auch darüber gesprochen, aber wenn der Zeitpunkt so nah ist, ist es doch etwas ganz anderes. Anni hatte so lange gekämpft und wir hatten immer das kleine Fünkchen Hoffung, daß alles gut wird. Aber nun waren wir am Ende unserer Reise. Wir hatten alle Möglichkeiten genutzt, die uns zur Verfügung standen und trotzdem verloren. Sein Kind sterben zu lassen und nicht mehr helfen zu können ist wahrscheinlich mit das schlimmste, was Eltern passieren kann. Aber aus unendlicher Liebe zu unserem Kind, würden wir auch diesen letzten Weg mit Anni gehen und für sie da sein.

Der Termin für die PET Untersuchung wurde auf den nächsten Tag gelegt und somit blieben wir eine weitere Nacht im Krankenhaus. Um 12.00 Uhr sollte es losgehen. Für diesen Tag waren zwei Untersuchungen geplant, einmal Anni und dann noch ein weiteres Kind. Diese radioaktive Substanz ist in Deutschland nicht erhältlich, sondern wurde extra für diese Untersuchung in Österreich bestellt. Der Fahrer sollte rechtzeitig da sein, doch nach einer Stunde Wartezeit bekam die Abteilung einen Anruf; der Fahrer steht im Stau und verspäte sich um etwa 3 Stunden. Wir also wieder zurück auf die Station, damit sich Anni erstmal hinlegen und Mittagsschlaf machen konnte. Gegen 16.00 Uhr wurden wir dann wieder gerufen und es konnte losgehen. Also Anni wieder eingepackt und wieder zurück ins Nachbargebäude. Vor uns war noch ein kleiner Junge dran, mit einer kleinen Narbe auf dem Kopf. Wir warteten wieder eine Stunde und Anni hatte den ganzen Tag noch nichts zu essen bekommen, denn sie musste ja nüchtern bleiben. Gegen 18:30 Uhr waren wir an der Reihe und um 19:30 Uhr  dann endlich fertig. Der leitende Professor der PET-CT Abteilung hatte nach Abschluß der Untersuchung ein Herz und rief mich noch einmal in den Auswertungsraum um mir die Bilder persönlich zu zeigen und auch zu erklären. Er legte die PET Bilder genau auf die davor gemachten MRT Bilder und zeigte mir, wo genau Tumorgewebe zu erkennen ist und auch in welche Richtung aktives Gewebe wächst. Die blauen Flecken zeigten ruhige Bereiche und die roten aktive Bereiche und ich erkannte zwei große rote Bereiche. Der Tumor hatte sich an zwei neuen Stellen manifestiert, einmal direkt neben der Operationshöhle und dazu nun auch im Kleinhirn. Wir fuhren mit dieser niederschmetternden Nachricht nach Hause, der "schreckliche Sven" ist wieder da und das mit voller Kraft. Ich trug Anni ins Bett und sie konnte gegen 21:00 Uhr endlich schlafen.

Am nächsten Tag fuhr Doreen mit den Bildern und der Auswertung zu Professor Vogel, um auch ihm den aktuellen Stand mitzuteilen. Auch er sagte, was natürlich klar war, daß eine Operation jetzt keinen Sinn mehr macht. Operieren wäre ja sowieso nicht mehr in Frage gekommen. Er empfahl uns aber Resorchin/ Chloroquin, ein Medikament was hauptsächlich als Malariaprofilaxe verschrieben wird. Auch dieses relativ harmlose und billige Medikament hat eine nachweislich tumorhemmende Wirkung. Anni bekam täglich eine Tablette zusätzlich zu ihren anderen Medikamenten.Aber so schwer es uns jetzt auch fiel, wir mussten umdenken und uns auf den schweren Gang vorbereiten. Wir nahmen Kontakt mit der Björn Schult Stiftung auf und baten um Hilfe, da für uns fest stand, Anni bleibt, wenn es geht zu Hause. Wir erfuhren, daß es dort ein Team bestehend aus einer Ärztin und 3 bis 4 Krankenschwestern gibt, die sich um genau solche Fälle wie uns kümmern. Am nächsten Tag kam die Ärztin Frau Dr. Lieber zu uns nach Hause, damit wir uns kennen lernen konnten. Sie verschaffte sich einen umfassenden Eindruck unserer Situation und schilderte uns ihre Arbeit. Bei Ihrer Arbeit geht es darum, Kinder und Jugendliche in ihrer häuslichen Umgebung palliativ zu versorgen. Zur Sicherheit nahm sie auch nochmal die Bilder mit und ließ sie ebenfalls nocheinmal auswerten. Es blieb aber bei dem gleichen Ergebnis. Sie betonte auch, daß sie alles machen wird, was Anni das Leben erleichtert und das im Vordergrund steht, daß sie keine Scherzen hat. Wir stellten einen genauen Medikamentenplan auf und alles Unnötige wurde gestrichen. Ab jetzt ging es darum, Anni weiterhin anfalls- und schmerzfrei zu halten und ihr die verbleibende Zeit so angenehm wie nur möglich zu gestalten. Wie lange das sein wird, konnte auch sie natürlich nicht sagen. Anni würde uns das schon zeigen. Wir hatten ein langes und informatives Gespräch. Ich muss sagen, eine sehr herzliche und angagierte Frau. Wir merkten, daß ihr ganzes Herzblut in ihrer Arbeit steckt. Rund um die Uhr erreichbar, wie wir später noch erfahren durften. Einige Tage später lernten wir auch unsere Krankenschwester kennen. Ebenfalls sehr herzlich aber auch überaus kompetent, so wie im übrigen auch alle anderen Schwestern. Für diesen Job muss man schon geschaffen sein, sonst könnte man ihn nicht ausüben, jedenfalls nicht in der Art wie es nötig ist. Wir hatten nicht schlecht gestaunt. Erstmal wurden zwei große Kisten in Anni's Zimmer gebracht und ausgepackt. Dazu wurden auch noch Utensilien in einer Apotheke bestellt, wie zum Beispiel ein Absauggerät. Umgeräumt musste auch erstmal werden, denn wir mussten Platz schaffen. Ein Infusionsständer und ein Pulsoximeter wurde aufgestellt. Alles stand bereit für Eventualitäten. In der ersten Woche hatten ganztägig eine Krankenschwester im Haus, was anfangs etwas gewöhnungsbedürftig war, ständig jemand fremdes im Haus zu haben. Aber das war auch gut so, so konnten sich alle einen genauen Überblick verschaffen, sich besser kennenlernen und auch Anni konnte sich daran gewöhnen. Wir haben ihr von Anfang an alles genau erzählt, warum jetzt neue Leute da sind und was sie machen. Nach einer Woche wurden dann die Besuche auf ein bis zwei Mal die Woche reduziert und ansonsten telefoniert. Anni war stabil und es gab erstmal keinen Grund für zusätzliche ärztliche Betreuung.  Wir hatten mit der Ärztin und auch den Schwestern über den Tod und das Sterben gesprochen und auch darüber, daß eigentlich nur noch ein Wunder helfen könne, aber wirklich vorstellen konnten wir es uns trotzdem nicht. Wir sprachen zwar darüber, aber ich hatte immer das Gefühl über etwas Fremdes Unbegreifliches zu sprechen. Es war einfach unvorstellbar. Frau Dr. Lieber legte uns auch nahe, keine MRT-Kontrolle mehr zu machen und wir waren ihrer Meinung, denn was sollte es bringen, außer zusätzliche Anstrengung und Streß für Anni. Ich hatte im Stillen immer noch die kleine Hoffnung, daß Resorchin etwas bewirkt. Wenn auf den Bildern weiterhin etwas zu sehen gewesen wäre, was am wahrscheinlichsten war, hätte es auch nichts geändert und wenn sich der Tumor verkleinert hätte, hätten wir es an Anni bemerkt. Alles lief wie vorher auch. Doreen war mit Anni zu Hause und ich ging erstmal wieder arbeiten. Um 15:30 Uhr war ich auch zu Hause oder wäre im Notfall in 30 Minuten da gewesen. Anni sollte auch weiterhin ihre Therapien bekommen. Doreen sprach im Vorfeld mit den Therapeutinnen und erklärte Ihnen die nun neue Situation und stellte es Ihnen frei, weiter zu machen oder aben abzubrechen, falls es ihnen zu schwer fallen sollte. Alle entschieden sich, weiter zu arbeiten. Sie hatten Anni nun schon so lange begleitet und lieb gewonnen und wollten auch jetzt für sie da sein. Nach so einer langen Zeit ist man eben nicht nur Patient und Therapeut, sondern es entwickeln sich Freundschaften.

Die nächsten vier Wochen vergingen ohne weitere Vorkommnisse. Eines morgens so gegen 08.00 Uhr, ich war bei der Arbeit, rief mich Doreen an, Anni hätte gerade einen Anfall. Ich fuhr so schnell es ging nach Hause und Doreen hatte in der Zwischenzeit schon den Notarzt verständigt. Als ich zu Hause ankam, kamen der Arzt und die Sanitäter schon wieder raus und schilderten mir nochmal den Vorfall. Anni bekam wieder ihr Medikament und der Anfall löste sich. Wir haben danach auch mit Frau Dr. Lieber telefoniert und auch eine Schwester kam zusätzlich vorbei und Dr. Lieber später auch nochmal. DIe Schwester legte Anni gleich an den Tropf. Da es Anni die letzten Wochen schwerer fiel zu essen bzw. zu schlucken und jetzt noch der neue Anfall dazu kam, entschieden wir uns, Anni eine Nasensonde legen zu lassen. Das war ein sehr dünner flexibler Silokonschlauch, der über ein Nasenloch bis in den Magen geschoben wird. So Einen hatten wir zwischenzeitlich schon mehrmals für ein bis zwei Wochen legen lassen, immer nach ihren Anfällen, einfach um ihr die Nahrungsaufnahme zu erleichtern. Meist haben wir ihn dann aber nach einer Woche wieder gezogen um Anni ihr Essen wieder über den Mund zu geben. Es gibt dafür extra Sondennahrung von zb. HIPP, die sehr nahrhaft und kalorienreich ist. Auch der ganze Essensstress ist somit entfallen, denn es wurde mit der Zeit immer anstrengender für sie. Ich glaube ab diesen Zeitpunkt, wir wissen es nicht mehr ganz genau, erholte sich Anni nicht mehr so wie vorher. Sie war und blieb irgendwie schlapper. Auch ihr Lächeln haben wir nie wieder gesehen. Wir konnten zwar ihre Mimik immernoch ganz gut deuten, aber ihr richtiges Lächeln kam nicht wieder. In dieser Nacht, ich hatte Anni gerade gegen 02.00 Uhr gedreht, bekam sie plötzlich schonwieder einen kleinen Anfall. Ihre rechte Seite fing plötzlich an zu zucken und ich sah, wie sich der neue Anfall anbahnte. Glücklicherweise hatte sie ja noch den Venenzugang in der Hand, weil dort ja noch ihr Tropf angeschlossen war. Für den Fall der Fälle hatte der Notarzt die halb gefüllte Spritze mit dem Notfallmedikament, die sie am Tage genutzt hatten, bei uns gelassen. Ich habe sie also schnell aus dem Kühlschrank geholt, Anni's Tropf abgestöpselt und ihr das Mittel gespritzt. Ihr Zucken ebbte ab und kam Gott sei Dank auch nicht wieder. Zur Sicherheit habe ich aber den Überwachungsmonitor angeschlossen und nach etwa einer Stunde hatte sie sich dann auch wieder so beruhigt, daß ihre Werte für ihre Verhältnisse im Normalbereich lagen.

Am nächsten Tag kam nochmal die Ärztin und Anni's Medikamente wurden etwas angepasst. Sie bekam nun auch Tavor, ebenfalls gegen Epilepsie, um weitere Anfälle zu vermeiden, alle vier Stunden ein kleines Plättchen in den Mund, was sich sofort auflöst. Zusätzlich 4 Mal am Tag eine Minimaldosis Tropfen gegen eventuelle Schmerzen. Weihrauch wurde nun auch wieder gegen Cortison ersetzt. Sie erklärte uns, daß es den meisten Patienten in dieser Phase nocheinmal einen Aufschwung gibt, zumindest für ein paar Wochen und sie fühlen sich dabei auch besser. Arbeiten bin ich von da an, dann nicht mehr gegangen. Zum Einen war es nun nichtmehr für einen Allein einfach, Anni rund um die Uhr zu pflegen und zum Anderen wollte ich auch keine Minute mehr ohne mein Kind sein. Uns wurde immer klarer, daß der Zeitpunkt, vor dem wir so große Angst hatten, immer näher rückt. Ich muss sagen, daß uns in dieser ganzen Zeit, die Gespräche mit den Krankenschwestern und Frau Dr. Lieber mental sehr geholfen haben, das unvermeidbare ein Stück weit zu akzeptieren. So schwer es uns auch fiel, Anni hatte so lange hart gekämpft und jeder Tag war für sie ein schwerer Tag. Wir hofften aus Liebe zu unserem Kind, daß ihr Leiden bald ein Ende haben würde und es ihr in der anderen Welt endlich wieder gut gehen würde, denn hier gab es für unsere Anni leider nichts mehr lebenswertes.

Anni's Allgemeinzustand verschlechterte sich immer mehr. Bald war es nicht mehr möglich, Anni mit runter zunehmen. Dafür wurde ihr Kreislauf zu schwach und wir mussten sie oben in ihrem Zimmer lassen. Nun wurde eben alles nach oben verlegt, viel war es ja leider sowieso nicht. Ihre Atmung veränderte sich auch und wurde zunehmend ungleichmäßiger. Der Puls war ständig erhöht. 4 bis 5 MAl am Tag haben wir die Werte kontrolliert und aufgeschrieben. Mehrmals am Tag hatte Anni Schluckauf, einmal die Stunde meist 4 Hikser. Wir sagten dann immer, unser kleines Möwchen ruft wieder. Auch dies schien komischer Weise irgendwann normal zu werden, denn Wochen vergingen und es war eben so. Anni bekam weiterhin ihren Sport, daß heißt, sie wurde weiterhin gut durchbewegt und massiert. Nachmittags gab es Kaffee und Kuchen bei Anni im Zimmer. Ihre beiden besten Freundinnen und Familie kamen weiterhin regelmäßig. Wir fingen an, kindgerechte Bücher die sich mit dem Tod und dem Sterben befassen, wie zum Beispiel die "Gebrüder Löwenherz" oder "Oskar und die Frau in Rosa" vorzulesen und hofften, Anni damit ein bisschen vorzubereiten, aber auch wir wurden damit natürlich etwas vorbereitet, wenn man das überhaupt kann.

Dann, irgendwann in den nächsten Wochen, klappte dann auch nicht mehr das Pullern und der Stuhlgang und wir mussten ihr auch dabei helfen. Ihre Atmung veränderte sich auch wieder und wurde schwächer. Jetzt mussten wir mehrmals am Tag, das im Vorfeld besorgte Absaugegerät, benutzen. Mit einem dünnen Silikonschlauch saugten wir Anni's Speichel aus Mund und Hals, damit sie richtig Luft bekam. Sie war zu schwach, um selbst kräftig abzuhusten. Die Ärztin stellte uns Morphin ans Bett, für den Fall, das es nötig sein würde, das heißt falls wir den Eindruck gehabt hätten, das Anni Schmerzen hätte. Ihre Sauerstoffsättigung war oft schon weit unten und ihr Puls war ständig erhöht. Unser Kind hatte jeden Tag so viel zu erleiden und uns tat es im Herzen weh, unsere Anni jeden Tag so zu sehen und so hilflos zu sein. Womit hatte unsere Anni es so verdient, so zu leiden. Auf diese Frage wird man wohl nie eine Antwort bekommen.

Der 08. Juni 2012 ein Freitag; es war ein sonniger und warmer Tag, 25 Grad und angenehme Luft. An diesem Tag hatten wir auch aus unserem Umfeld einige gute Nachrichten erhalten. Eigentlich ein schöner Tag. Trotzdessen hatten wir unerklärlicher Weise ein komisches Gefühl im Bauch. Wenn ich vorher immer gehört hatte, man fühlt es wenn es soweit ist, dachte ich immer, das wäre nur Einbildung. Aber Doreen und ich hatten es tatsächlich gespürt, irgendwas wird heute noch passieren. Doreen hatte sich für den Abend eigentlich verabredet, aber dann ihre Freundin lieber zu uns bestellt. Anni war auch öfters unruhig am Tage, man kann es schwer beschreiben. Sie hatte wieder öfters einen erhöhten Puls. Sie atmete wiedermal anders, 3 lange Atemzüge und dann eine längere Pause. Wir hatten schon überlegt, ob wir Anni ein paar Tropfen Morphin geben sollten. Gegen 18:30 Uhr war Anni aber wieder einigermaßen ruhig, ihr Abendbrot und ihre Medikamente hatte sie bekommen. Ich hatte ihr Fenster nochmal weit geöffnet, nochmal frische kühlereLuft reingelassen, die Sonne schien in einer besonderen Farbe in ihr Zimmer. Ich saß an ihrem Bett und erzählte ihr noch was alles so an diesem Tag passiert war.  Anni kam mir irgendwie anders vor, das Luft holen fiel ihr immernoch ein wenig schwer. Dann sagte ich zu Anni, "heut ist so ein schöner Tag Mäuschen. Du hast dich schon so lange gequält, wenn du willst, lass einfach los, das ist nicht schlimm wenn du Mama und Papa alleine läßt. Wir werden dich sehr vermissen aber du gehst nur schon vor und wenn es so weit ist, holst du uns ab. Du musst nicht jeden Tag diese Schei... durchmachen, das hast du schon viel zu lange. Es ist ok." Gegen 19:15 Uhr war sie ganz ruhig und entspannt. Ich legte sie bequem auf die Seite, deckte sie zu und gab ihr einen dicken Schmatzer. " Jetzt schlaf schön mein Mäuschen". Als ich dann runter ging, stellte ich wie immer das Babyfon bereit. Aber ich hatte ein flaues Gefühl im Magen. 7 Minuten später ging ich nochmal an ihre Tür und horchte durch den Spalt. Doch ich hörte nicht ihr gewohntes Atmen. Ich riss die Tür auf, machte Licht an und hielt mein Ohr an ihren Mund. Ich dachte " Oh Gott nein, Anni atmete nicht mehr." Durch das Dachfenster im Bad rief ich Doreen nach oben. Unsere Anni hatte einfach aufgehört zu atmen und ist ganz ruhig und friedlich eingeschlafen. Wir standen vor ihr und konnten es nicht begreifen, dass Anni jetzt für immer gegangen ist, doch nicht unsere Anni. Dieses Gefühl, dieser Schmerz ist unbeschreiblich, man will es nicht wahr haben und kann es überhaupt nicht realisieren. Aber Anni hatte es nun endlich geschafft, ihre leidvollen Tage sind vorbei und dort wo sie jetzt ist, geht es ihr besser, dort kann sie wieder lachen. Oma Christel hat sie ganz sicher abgeholt. Sie hatte sich einen wunderschönen Tag ausgesucht.

  Anni wir vermissen dich sehr und haben dich unendlich lieb.